Kristin Gerber, Germanwatch-Büro Bonn, berichtet über internationale Klimapolitik
Klimapolitik aus Sicht von Germanwatch

Germanwatch – deutsche Nichtregierungsorganisation (NRO) mit ausgewiesenen Kenntnissen zur Klimapolitik – hat seit 19 Jahren ihre Geschäftsstelle in Bonn. Erst später kam das Berliner Büro hinzu. So war es für Zukunftsfähiges Bonn nicht schwierig, Kristin Gerber als Vertreterin dieser Organisation zum Runden Tisch im Februar einzuladen. Nach einer Vorstellung des Dr. Werner-Schuster-Hauses, eines Heimes für NRO aus den Bereichen Umwelt und Entwicklung, führte Kristin Gerber die Bonner Agenda-Interessierten in eines der wichtigsten Themen der  Agenda 21 ein – nämlich in die Klimapolitik.

Barbara Kloep

Kristin Gerber

Das Dr. Werner-Schuster-Haus, Kaiserstraße 201, ist nach dem Arzt und ehemaligem Bundestagsabgeordneten Werner Schuster benannt. Dieser hat sich – wohl auch wegen seines Geburtslandes Tansania – vor allem im Bundestag stets für Ziele der Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt und immer den Kontakt zu NRO gesucht. Etliche NRO haben im Schuster-Haus eine Heimat – wie VENRO – der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen –, das 1961 gegründete Lateinamerika-Zentrum (LAZ), die Deutsch-Brasilianische Gesellschaft,  United Nations Development Fund for Women (UNIFEM), Aktion Courage,  die 1992 aus Bürger- und Menschenrechtsinitiativen hervorging und gegen Diskriminierung und Rassismus arbeitet, sowie Germanwatch selbst und die mit Germanwatch verbundenen Organisationen Stiftung Zukunftsfähigkeit und atmosfair. Über atmosfair können FlugpassagierInnen ihre beim Flug entstanden Klimagase ausgleichen und so beispielsweise Erneuerbare Energien – Projekte in Entwicklungsländern unterstützen.

Hiermit sind wir schon „drin“ im Hauptthema des Vortrages – der Klimapolitik!
Die Weltbevölkerung, so Kristin Gerber, wird von heute 6,8 Milliarden Menschen auf 9 Milliarden im Jahr 2050 anwachsen. Damit wachse auch der Energie- und Rohstoffverbrauch. Bis 2030 rechne man mit einer Verdopplung des weltweiten Energieverbrauchs. Bekannt ist, dass bei der Energiegewinnung noch in großem Maße fossile Energieträger, wie Kohle und Öl, verbrannt werden und hierdurch der Ausstoß der Treibhausgase, die die Erderwärmung „vorantreiben“ – vor allem von CO2  – steigt. Es wird immer wärmer...

Die UN-Klimarahmenkonvention habe zum Ziel, dass die Treibhausgasmenge in der Atmosphäre nicht weiter steigen dürfe, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden. Von „gefährlich“, so erklärte Kristin Gerber, spreche man bei einem weltweiten Temperaturanstieg von mehr als 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Auf diese 2-Grad-Grenze hätten sich mittlerweile die meisten Staaten verständigt. Im Umgang mit dem Klimawandel gibt es laut Kristin Gerber zwei Strategien: Die erste setze auf Vermeidung (mitigation) der gefährlichsten Klimaveränderungen, beispielsweise durch Einhaltung der 2-Grad-Grenze und durch Verringerung (Reduktion) der CO2-Ausstöße um 80 % bis 2050. Die Industrieländer sollten hierbei den größten Teil der Reduktion vornehmen, nämlich 40 % bis 2020 und 95 % bis 2050 – denn sie haben den größten Teil der CO2-Menge in der Vergangenheit verursacht. Die zweite Strategie beinhalte Anpassung (adaptation) an nicht mehr vermeidbare Klimaveränderungen. Diese bestehe aus Vorsorgemaßnahmen im Inland, Management der Folgeschäden und Finanz- sowie Technologiehilfen für die am stärksten betroffenen Schwellen- und Entwicklungsländer in Höhe von mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr ab 2020.


Zum Klimagipfel-Kopenhagen

Welche Rolle spielte aus Sicht von Germanwatch die letzte UN-Klimakonferenz in Kopenhagen? Konnten Fortschritte erzielt werden?
Gerber führte aus, dass vor der Konferenz die Klimaschutzzusagen der Industrieländer nicht ausreichten, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, sondern auf eine Erwärmung von 3 bis 4 Grad bis 2100 hinausliefen. Auch könne mit den vorliegenden Finanzierungsmodellen die Anpassung an den Klimawandel nicht gelingen.

Die nach Kopenhagen angereisten Staatschefs einigten sich zwar zu den Kernthemen, wie die Anerkennung der 2-Grad-Grenze, und über den weiteren UN-Prozess. Allerdings haben den Textentwurf für den zukünftigen Vertrag – den Kopenhagen Akkord – nur 25 Staaten vorbereitet – vor allem USA, China, aber auch die EU, Russland, Mexiko, die Malediven, Lesotho, Bangladesh und Äthiopien. Da die Zielsetzung von Kopenhagen eigentlich ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen und eine Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll vorsah – so führte Kristin Gerber aus – sei das Ergebnis jedoch enttäuschend: Der Akkord sei bloß eine Einverständniserklärung, ein „kleinster gemeinsamer Nenner“ ohne völkerrechtliche Bindung. Dennoch sei aus ihrer Sicht Kopenhagen nicht gescheitert, da die sehr gründlich weiter entwickelten Texte zu den verschiedenen Verhandlungsthemen, wie Anpassung, Regenwaldschutz, Zusammenarbeit im Bereich Technologie und Klimafinanzierung, eine gute Grundlage für die weitere Arbeit böten. Der Akkord sei wieder einmal ein Startpunkt und kein Abschluss: Man hofft nun auf die nächste Konferenz in Mexiko.
Gerber führte folgende „Knackpunkte“ auf, die den Erfolg von Kopenhagen behinderten: Die Regierungen der USA und Chinas hätten das Gefühl gehabt, keine Führungsrolle übernehmen zu können. Ebenfalls sei die EU hiermit überfordert gewesen. Venezuela, Bolivien, Cuba und Nicaragua hätten die Reduktionsziele der Industrieländer nicht akzeptiert. Und der dänische Premierminister Lars Løkke Rasmussen soll als Versammlungsleiter versagt und Fehler gemacht haben.


Was ist nun zu tun?

Kristin Gerber betonte, dass für eine wirkungsvolle Klimapolitik drei Gerechtigkeitsprinzipien verwirklicht werden müssten - das Verursacherprinzip, nach dem die Industrie- und Schwellenländer ihre aktuelle und historische Verantwortung übernehmen; das Prinzip der Existenzsicherung, nachdem die Industrie- und Schwellenländer ihre Emissionen so begrenzen müssen, dass die Existenz von Staaten oder großen Menschengruppen nicht gefährdet wird; und drittens das Prinzip der fairen Chancenverteilung, wonach auch die ärmsten und verletzlichsten Staaten dieser Welt von den Zukunftschancen der großen Transformation der Weltgesellschaft beim anstehenden Wettlauf hin zu Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz profitieren und in den wirtschaftlichen Umschwung mit einbezogen werden.

Die EU solle mit einer freiwilligen Reduktion ihrer Treibhausgase von mindestens 30 % wieder die Vorreiterrolle übernehmen. Um das Vertrauen in den langjährigen UN-Prozess wieder zu stärken, seien nun insbesondere die Industrieländer gefragt, Vorreiter-Kooperationen mit den ärmsten Entwicklungsländern im Bereich der Erneuerbaren Energien, der Anpassung und des Waldschutzes  voranzutreiben, um die vor uns liegenden Aufgaben gemeinsam zu bewältigen.